1Blitzer-Foto erhalten, aber keine Anhörung – was passiert jetzt?
Jeden Tag tappen in Deutschland tausende Autofahrer in Radarfallen oder werden von ortsfesten und mobilen Blitzern dabei erwischt, wie sie zu schnell fahren. Wenn der Bußgeldbescheid zugestellt wird, sitzt der Schreck erst mal tief – besonders, wenn man sich an die Situation nicht erinnern kann. Aber fehlt hier nicht nur ein wichtiger Schritt? Was Autofahrer mitunter gar nicht wissen: Vor dem Erlassen eines Bußgeldbescheids muss dem Beschuldigten in der Regel die Möglichkeit zur Anhörung gegeben werden, was § 55 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz) festlegt.
Damit wird den Beschuldigten die Chance eingeräumt, sich zum Tatvorwurf zu äußern, weil man zum Beispiel selbst gar nicht hinterm Steuer gesessen hat. Der Anhörungsbogen dient auch dem Zweck, der Bußgeldstelle die Ermittlung des tatsächlichen Fahrers zu ermöglichen (in Deutschland gilt vornehmlich die Fahrerhaftung und nicht die Halterhaftung) und realisiert damit ein hohes Maß an Rechtssicherheit.
Erhält ein Autofahrer einen Bußgeldbescheid ohne vorherige Anhörung, kann ein gravierender Verfahrensfehler vorliegen. Die Betonung liegt auf kann, da Gerichte in der Vergangenheit durchaus anders argumentiert haben und eine fehlende Anhörung nur als einfachen Verfahrensfehler angesehen haben. Aber: Eine fehlende Anhörung kann bedeuten, dass der Bescheid trotzdem unwirksam ist – wenn er die dreimonatige Frist der Verfolgungsverjährung überschreitet. Die Anhörung hätte hier nämlich zu einer Unterbrechung der Verjährung geführt. Genau deshalb sollten folgende Fehler nicht passieren.
2Fehler 1: Keinen Einspruch einlegen und das Bußgeld einfach akzeptieren
Autofahrer gehen mitunter davon aus, dass sie eher einen Fehler machen als die Behörden. Dabei beschäftigen sich Gerichte regelmäßig mit Fällen, in denen die Bußgeldstellen unsauber gearbeitet haben. Ein Bußgeldbescheid ohne Anhörung ist nur ein Beispiel. Fehlende oder unvollständige Belehrungen zu den Rechtsmitteln, die falsche Berechnung von Fristen und die Verwendung veralteter Messtechnik sind weitere Situationen, die Bußgelder unwirksam machen. Laut einer VUT-Untersuchung sind in etwa einer von drei Messungen (basierend auf den Rohmessdaten) signifikante Fehler zu erkennen.
Heißt: Autofahrer machen einen Fehler, wenn sie die Einspruchsfrist einfach verstreichen lassen. Nach der Zustellung eines Bußgeldbescheids bleiben zwei Wochen, um Einspruch gegen den Bescheid einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Bescheids (maßgeblich ist der Folgetag als Beginn der Fristberechnung).
Wer diese Frist verstreichen lässt, hält nach diesen zwei Wochen einen rechtswirksamen Bescheid in den Händen – selbst dann, wenn er nicht gefahren ist und den Tatvorwurf gar nicht begangen hat. Auch wenn der Bußgeldbescheid ohne Anhörung oder mit gravierenden Fehler erlassen wurde, wird er nach Ablauf der Einspruchsfrist wirksam.
Aus der Rechtswirksamkeit ergeben sich unterschiedliche Konsequenzen:
- Das Bußgeld ist in voller Höhe zu bezahlen,
- Punkte werden ins FAER eingetragen,
- Fahrverbote sind sofort (oder bei Ersttätern mit einem zeitlichen Spielraum) anzutreten.
Letzteres ist für Berufskraftfahrer oder Personen, die beruflich auf ihr Auto angewiesen sind (zum Beispiel Pflegepersonen) ein Problem. Ohne den Einspruch kann hier aber auch nicht mehr darauf gehofft werden, dass die Bußgeldstelle Betroffenen entgegenkommt oder sich im Rahmen einer Härtefallregelung das Fahrverbot noch umwandeln lässt.
Wann verlängert sich die Einspruchsfrist?
Die Einspruchsfrist gegen einen Bußgeldbescheid beträgt grundsätzlich zwei Wochen ab Zustellung des Bescheids nach § 67 OWiG. Eine pauschale Verlängerung ist nicht vorgesehen – allerdings kann bei unverschuldetem Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (nach § 52 OWiG) beantragt werden. Typische Beispiele wären ein Krankenhausaufenthalt des Beschuldigten oder eine Reise (während derer es zur Zustellung und dem Fristablauf kommt). Grundsätzlich ist in diesem Zusammenhang der ursächliche Grund für das Versäumnis glaubhaft zu machen.
3Fehler 2: Den Bußgeldbescheid aus dem Blitzer einfach bezahlen
Ein weiterer Fehler besteht darin, das Bußgeld vorschnell zu zahlen – Hauptsache, die Sache ist aus der Welt. Wer lediglich ein Bußgeld zwischen 60 Euro und 100 Euro zahlen muss, kann vielleicht so vorgehen, bei Punkten und Fahrverboten sieht die Situation anders aus. Dies gilt besonders, wenn es sich nicht um den ersten Verstoß handelt. Das Thema Bußgeld schnell erledigen zu wollen, kostet nicht nur Geld, diese Reaktion kann noch andere Folgen haben.
Durch die Zahlung (was meist mit dem Verzicht auf den Einspruch einhergeht) wird der Bußgeldbescheid anerkannt, selbst wenn bei einer genauen Prüfung Fehler erkannt worden wären. Damit werden auch Nebenstrafen wirksam:
Besonders die Punkte können mittelfristig heikel werden, da es mit Erreichen der 8-Punkte-Grenze zum Entziehen der Fahrerlaubnis kommt. Anders als beim Fahrverbot kann diese nur neu beantragt werden, es geht zusätzlich oft um ein medizinisch-psychologisches Gutachten und es droht eine Sperrfrist.
Gerade bei Blitzern ohne Anhörung vor dem Bußgeldbescheid lässt sich, wenn der unterlassene Versand (durch Akteneinsicht, die ein Fachanwalt beantragen kann) nachweisbar ist, möglicherweise über einen Fristablauf der Bescheid angreifen. Hintergrund: Die dreimonatige Verjährung beginnt mit der Begehung der Ordnungswidrigkeit. Eine Anhörung unterbricht diesen Zeitraum, es beginnt mit deren Veranlassung eine neue Verjährungsfrist. Liegen mehr als drei Monate zwischen Verstoß und Zustellung des Bußgeldbescheids – ohne Dokumentation der Anhörung – besteht die Chance auf ein wirksames Vorgehen wegen des Fristablaufs.
Die Prüfung zeigt möglicherweise aber noch ganz andere Fehler, wie:
- Messfehler bei den Blitzern (inklusive der Verwendung einer veralteten Software),
- eine fehlerhafte Beschilderung oder nicht erkennbare Verkehrszeichen,
- Falsche Angaben zu Person, Ordnungswidrigkeit oder Fahrzeug.

Achtung:
Wer übereilt und ohne Prüfung zahlt, verschenkt diese Chancen.
4Fehler 3: Bußgeldbescheid & Vorwurf nicht anwaltlich prüfen lassen
Der dritte Fehler beim Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ohne Anhörung ist ein Verzicht auf die anwaltliche Beratung und Prüfung des Sachverhalts. Autofahrer, die Angst vor hohen Anwaltskosten haben und versuchen, die Angelegenheit selbst zu regeln, übersehen schnell Details und sind mit dem Verfahren selbst oft unzureichend vertraut. Gerade bei komplexen Sachverhalten (das Erkennen von alter Software oder Hinweisen auf Messfehler) wird falsch argumentiert – was am Ende deutlich teurer werden kann als die Kosten für den Verkehrsrechtsanwalt.
Ein Fachanwalt erkennt Fehler und Schwachstellen, die Laien oft übersehen, sehr schnell – etwa in Bezug auf formelle Fehler im Bußgeldbescheid, wie:
- unvollständige oder falsche Angaben zu den Personalien,
- fehlerhafte Fahrzeugdaten oder Kennzeichen,
- konkrete Verstöße gegen Verfahrensvorschriften,
- eine unterlassene oder stark mängelbehaftete Belehrung zu den Rechtsmitteln.
Zusätzlich kann eine fachlich versierte Person Messfehler oder Eichprobleme bei Blitzern erkennen, die Laien so gar nicht auffallen. Auch Aspekte der Verjährungsfristen und Unterbrechung sind für Autofahrer oft nicht ohne Weiteres erkennbar. Ein sehr wichtiger Punkt ist die Möglichkeit zur Umwandlung von Fahrverboten. Selbst ein Bescheid, der in seiner Form und Substanz richtig ist, kann in der Schwere der angedrohten Sanktionen abgemildert werden, wenn die daraus resultierende Härte nachgewiesen werden kann und Betroffene bisher im Straßenverkehr unauffällig geblieben sind.
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