1Was ist ein Anhörungsbogen und warum ist er wichtig?
Wer im Briefkasten einen Anhörungsbogen findet, ist im ersten Moment wahrscheinlich schockiert. Schließlich wird damit signalisiert, dass man in den Augen der Bußgeldstelle vermutlich eine Ordnungswidrigkeit begangen hat. Den Anhörungsbogen sollte man besser nicht ignorieren, sondern diesen eher als Chance zur Aufklärung des Sachverhalts sehen.
Der Anhörungsbogen wird schnell unterschätzt, spielt für das Bußgeldverfahren aber eine besondere Rolle. Nach § 55 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz) muss Beschuldigten in einem Verfahren wegen Verkehrsverstößen die Möglichkeit gegeben werden, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Diese Anhörung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen – zum Beispiel direkt im Rahmen einer Verkehrskontrolle, bei welcher der entsprechende Verstoß (zum Beispiel das Fahren unter Alkohol oder Drogen) festgestellt und dokumentiert wird.
Im Fall eines Abstandsverstoßes oder eines Geschwindigkeitsübertritts, der aufgezeichnet und später ausgewertet wird, ist diese Form der Anhörung nicht realisierbar. Hier bleibt einzig das schriftliche Verfahren, welches über den Anhörungsbogen realisiert wird. Dazu ermittelt die zuständige Behörde anhand des dokumentierten Kfz-Kennzeichens (nur so ist das Fahrzeug eindeutig zu identifizieren) den Halter und veranlasst die Zustellung eines Anhörungsbogens.
Warum verschicken Behörden Anhörungsbögen?
Die Dokumentation des Versendens eines Anhörungsbogens ist für das Bußgeldverfahren und einen möglichen Einspruch von Bedeutung, da ein nicht erhaltener Anhörungsbogen nicht automatisch bedeutet, dass die zuständige Bußgeldstelle dessen Versand versäumt hat. Stützt sich der Einspruch auf diesen Vorwurf, muss die Behörde nicht die Zustellung, sondern dessen Versand belegen. Damit übernimmt der Anhörungsbogen die Aufgabe, die Verfahrenswirksamkeit zu unterstützen. Durch die Anhörung verringert sich für die zuständigen Behörden das Risiko, durch Formfehler den späteren Bußgeldbescheid unwirksam werden zu lassen.
Neben der Aufgabe, dem Beschuldigten im Verfahren Gehör in eigener Sache zu verschaffen, verfolgt der Anhörungsbogen für die Bußgeldstellen ein zweites Ziel: Den Grundsatz der Täterhaftung umzusetzen. Grundsätzlich kann in Deutschland nur die Person bestraft werden, die eine Ordnungswidrigkeit auch begangen hat. Halter sind über das Kennzeichen leicht zu ermitteln, müssen aber nicht gefahren sein. Die Anhörung dient dazu, zum Sachverhalt Stellung zu beziehen und zu erklären, zum vorgeworfenen Zeitpunkt das Fahrzeug nicht selbst geführt zu haben. Der Anhörungsbogen setzt ein rechtssicheres Verfahren – in beide Richtungen – um.
2Wie auf den Anhörungsbogen reagieren oder einfach ignorieren?
Ich bin nicht gefahren, also kann ich den Anhörungsbogen einfach ignorieren! Dieser Gedanke kommt Haltern vielleicht nach dem ersten Schreck, ist aber keine besonders gute Idee. Wird der Anhörungsbogen einfach ignoriert und wandert vielleicht sogar in den Papierkorb, geht die Bußgeldstelle nach Ablauf der Frist davon aus, dass sich zur Sache nicht geäußert wird und verhängt einen Bußgeldbescheid.
Die Konsequenzen reichen von Bußgeldern, die sich auf mehrere hundert Euro belaufen können, Punkten in Flensburg oder Fahrverboten. Diese erstrecken sich zwischen einem und drei Monaten. Sind bei Haltern im FAER bereits einige Punkte eingetragen, besteht sogar die Möglichkeit, dass es zum Entziehen der Fahrerlaubnis kommt.
Immer antworten, wenn Dritte gefahren sind
Wer den Anhörungsbogen erhält und klar erkennt, nicht selbst für den Verstoß verantwortlich zu sein, sollte in jedem Fall reagieren und zur Entlastung der eigenen Person beitragen – indem klargemacht wird, nicht selbst das Fahrzeug geführt zu haben. In diesem Fall ist ein wichtiger Punkt zu berücksichtigen: Das Zeugnisverweigerungsrecht.
Dieses sieht vor, dass Familienangehörige mit den Aussagen nicht belastet werden müssen. Hiervon erfasst werden nicht nur Eltern, Kinder und Partner. Das Zeugnisverweigerungsrecht gilt auch für:
- Geschwister
- Großeltern
- Schwager/Schwägerin.
Klar muss in diesem Zusammenhang sein, dass durch die Verweigerung der Bekanntgabe eines nahen Angehörigen als Fahrer das Bußgeldverfahren ins Leere laufen kann. Kann hierdurch kein Beschuldigter ermittelt werden, droht die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs.
Der Anhörungsbogen selbst löst übrigens noch keine Zahlungspflicht gegenüber der Bußgeldstelle aus. Dazu kommt es erst mit der Zustellung des Bußgeldbescheids. Dieser wird rechtswirksam, wenn die Einspruchsfrist von zwei Wochen verstreicht. Innerhalb von weiteren zwei Wochen muss das Bußgeld beglichen werden.
Reaktion auf den Anhörungsbogen als Fahrer
Wurde der Verstoß begangen, gilt natürlich der Grundsatz, dass sich Beschuldigte selbst nicht weiter belasten müssen. Unter anderem hält § 136 StPO (Strafprozessordnung) das Recht der Aussageverweigerung fest. Entweder bleibt der Anhörungsbogen unbeantwortet und es wird einfach auf den Bußgeldbescheid gewartet oder Beschuldigte geben lediglich die Personalien an. Diese dienen der ordnungsgemäßen Zustellung des Bußgeldbescheids.
Statt sich auf das Aussageverweigerungsrecht zu stützen, könnten Autofahrer auf die Idee kommen, den Anhörungsbogen zu einer falschen Aussage zu nutzen – um von sich abzulenken. Einfach einen fremden Fahrer anzugeben, geht allerdings schnell in eine Richtung, mit der sich die Situation nur noch verschlimmert.
Was passiert, hängt von den jeweiligen Rahmenbedingungen ab. Unwahre Angaben zur eigenen Person oder zu den Tatumständen können nach § 111 OWiG mit einer Geldstrafe von bis zu 1.000 Euro bestraft werden, was in den meisten Fällen deutlich teurer ist als das ursprüngliche Bußgeld. Auch der sogenannte „Punktehandel“ ist illegal. Wer einen anderen Fahrer angibt, obwohl dieser nicht gefahren ist, macht sich der Falschbeurkundung strafbar und riskiert strafrechtliche Konsequenzen [1].
3Bei welchen Verstößen ist mit dem Anhörungsbogen zu rechnen?
Von den Bußgeldstellen wird der Anhörungsbogen bei verschiedensten Verkehrsverstößen verschickt, die sich über eine sehr breite Palette erstrecken. Sehr häufige Gründe sind Geschwindigkeitsverstöße, ein zu geringer Abstand oder das Überfahren einer roten Ampel.
Geschwindigkeitsüberschreitung im Anhörungsbogen
Geschwindigkeitsverstöße sind nicht nur gefühlt die häufigsten Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr. Laut KBA (Kraftfahrt-Bundesamt) macht zu hohe Geschwindigkeit allein bei Männern mehr als 1,8 Millionen Fälle aus [2]. Ab einer Überschreitung von 16 km/h innerorts drohen Bußgelder, bei höheren Geschwindigkeiten sogar Punkte in Flensburg und das Fahrverbot. Die Sanktionen nach dem Bußgeldkatalog werden gestaffelt verhängt.
Einige Beispiele für Strafen bei zu hoher Geschwindigkeit im Ort:
- 21-25 km/h – 115 Euro, ein Punkt
- 26-30 km/h – 180 Euro, ein Punkt, ein Monat Fahrverbot (bei Wiederholung innerhalb von 12 Monaten)
- 31-40 km/h – 260 Euro, zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot
Einige Beispiele für Strafen bei zu hoher Geschwindigkeit außerorts:
- 21-25 km/h – 100 Euro, ein Punkt
- 26-30 km/h – 150 Euro, ein Punkt, ein Monat Fahrverbot (bei Wiederholung innerhalb von 12 Monaten)
- 41-50 km/h – 320 Euro, zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot
- mehr als 70 km/h – 700 Euro, zwei Punkte, drei Monate Fahrverbot
Anhörung: Rotlichtverstöße & Abstand
Bei Rot über eine Ampel zu fahren, ist ein schwerwiegender Verstoß im Verkehrsrecht. Die Folgen richten sich danach, wie lange die Ampel bereits auf Rot umgestellt hat.
- Einfacher Rotlichtverstoß (weniger als 1 Sekunde Rot) – 90 Euro, ein Punkt
- Qualifizierter Rotlichtverstoß (länger als 1 Sekunde Rot) – 200 Euro, zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot
Ein zu geringer Sicherheitsabstand ist gerade bei sehr hohen Geschwindigkeiten ein erhebliches Unfallrisiko, da nicht mehr schnell genug auf den vorausfahrenden Verkehr reagiert werden kann. Bei einer Geschwindigkeit ab 130 km/h kosten:
- Weniger als 3/10 des halben Tachowerts 240 Euro, zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot
- Weniger als 1/10 des halben Tachowerts 400 Euro, zwei Punkte, drei Monate Fahrverbot